Mutternacht 2017

„Hochzeitskleid statt Schuluniform“
Die österreichische Initiative mutternacht_klein_weblog macht anlässlich des diesjährigen Muttertages auf die weitreichenden Folgen von Kinderehen aufmerksam.

(Wien, 9. Mai 2017). Jährlich werden rund 15 Millionen Mädchen vor dem 18. Geburtstag verheiratet. Für Mädchen in 26 Ländern weltweit ist es wahrscheinlicher verheiratet zu werden, als eine Schule zu besuchen. Die gesundheitlichen, ökonomischen und sozialen Folgen der Kinderehe weltweit – auch in Österreich – sind beträchtlich: 62 Millionen Mädchen gehen nicht in die Schule, 70.000 Mädchen, vorwiegend in Entwicklungsländern, sterben jährlich aufgrund von Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt.

Im Gegensatz zu Deutschland existiert über die Zahl der im Ausland geschlossenen Ehen Minderjähriger in Österreich kein Datenmaterial. Mehrere Anfragen an die zuständigen Ministerien über Ausmaß und gelebte Praxis von Ehen bei Minderjährigen in Österreich wurden bisher abschlägig beantwortet. Im Vergleich dazu  wurden in Deutschland Zahlen veröffentlicht: Mit Juli 2016 waren in Deutschland 1475 Minderjährige mit Migrations-hintergrund als verheiratet registriert, die meisten waren zwischen 16 und 18 Jahre alt.

Die Verheiratung von jungen Mädchen wird in   der Herkunftsfamilie oft als Sicherheits-maßnahme von den Eltern angestrebt, um die Versorgung sowie den Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffen zu gewährleisten“, berichtet Monika Pinterits, Kinder- und Jugendanwältin von Wien.Gleichzeitig werden früh verheiratete Mädchen und Buben ihrer essentiellen Rechte beraubt: Ihrem Recht, Kinder bzw. Jugendliche zu sein sowie dem Recht auf Schutz, Wahrung ihrer Interessen sowie Bildung. Der Eintritt in eine Ehe steht für die überwiegend betroffenen Mädchen sehr oft am Beginn einer Reihe von Benachteiligungen gegenüber unverheirateten Mädchen.“

Kinderehen sind oft Teil von Bewältigungsstrategien in Krisensituationen. Meist passiert das unter der falschen Annahme, dass die Verheiratung eines jungen Mädchens, vor allem in einer unsicheren und instabilen Notlage, schützende Effekte hat. Diese Ehen sind jedoch der direkte Weg in andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt. Mehr noch: Werden Kinder verheiratet, ist das lebensbedrohlich. Das Risiko, bei der Geburt eines Kindes zu sterben, ist für Mädchen unter 15 Jahren fünfmal höher als für Frauen in ihren 20ern.

Mehr als 700 Millionen Frauen weltweit waren bei ihrer Hochzeit jünger als 18 Jahre. Jede dritte von ihnen war sogar jünger als 15“, berichtet CARE Österreich. „Die weitverbreitete Annahme, dass von Armut betroffene Mädchen durch Kinderehen geschützt werden, entspricht nicht der Realität: Durch Kinderehen steigt die Gefahr für Mädchen Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden, ihnen wird eine schulische Ausbildung und somit ein Recht auf eine Zukunft verwehrt, zudem sind Mädchen durch Kinderehen oftmals fatalen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.“ Um diesem Teufelskreis ein Ende zu setzen, setzt sich CARE sowohl im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit als auch Nothilfe gegen Kinderheirat ein.

Gesetzliche Rahmenbedingungen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen sind deshalb sehr wichtig“, betont Petra Bayr, Initiatorin Mutternacht u. Abgeordnete zum Nationalrat.Dass Gesetze aber auch eingehalten werden, passiert nicht automatisch. Um Kinderehe mit allen Gefahren und Risiken zu beseitigen, braucht es vor allem einen Bewusstseinswandel in den jeweiligen Ländern. Zivilgesellschaftliche und staatliche Organisationen müssen dafür Zeit und Ressourcen in Bildung, Aufklärung und Präventionsarbeit investieren. Dabei kann es sich auch um Mittel der Entwicklungszusammenarbeit handeln, somit ist auch Österreich gefordert, einen Beitrag zu leisten.“

Factsheet Mutternacht zum Thema Kinderehen

Folder Mutternacht 2017

Ausgewählte Links zur Berichterstattung in den Medien:

Der Standard

Kurier

Salzburger Nachrichten

Kleine Zeitung

orf.at

Salzburg 24

Am 11. Mai lud die österreichische Plattform  mutternacht_klein_weblog zum Filmabend ein, um auf die Folgen von Kinderehen aufmerksam zu machen.

Gezeigt wurde der Spielfilm “I Am Nojoom, Age 10 and Divorced” (2014) der jemenitischen Regisseurin Khadija Al-Salami.

NOJOOM_05Basierend auf Tatsachen erzählt die Dokumentarfilmerin in ihrem Spielfilm von einem Mädchen aus dem Jemen (Reham Mohammed), das von ihren Eltern zwangsverheiratet und vom Mann missbraucht wird und schließlich vor dem Richter die Scheidung verlangt. Die Filmemacherin selbst wurde bei Nojoom (der Name wurde für den Film geändert) vorstellig: Sie musste als Elfjährige dasselbe Schicksal erleiden. Sie drehte vor Ort im Jemen unter extremen Bedingungen (der Inhalt des Films musste geheim gehalten werden) eine Geschichte von Unbeugsamkeit und Mut.

Im Anschluss an den Film folgte ein Publikumsgespräch mit Petra Bayr (Mitgründerin der Plattform Mutternacht), Barbara Wagner (Amnesty International Österreich Netzwerk Frauenrechte) und Julia Rainer (Sprecherin des Frauenkomitees der Bundesjugendvertretung). Dabei wurden die Folgen von Kinderehen und daraus resultierende frühe Schwangerschaften thematisiert. Petra Bayr sagte:  „Kinderheirat ist Diebstahl an der Kindheit, der Bildung und am Leben der Betroffenen. Vor allem Mädchen verlieren die Chance auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit, oft sind sie Gewalt und viel zu früher Mutterschaft ausgesetzt. Armut ist einer der treibenden Faktoren für Kinderheirat und in der globalen Armutsbekämpfung ist auch Österreich aufgefordert, wesentlich aktiver zu werden!“ Der Beitrag Österreichs zur Bekämpfung von Kinderheirat und frühen Schwangerschaften ist verschwindend gering. Das finanzielle und inhaltliche Engagement Österreichs in diesem Bereich zu erhöhen, ist eines der Ziele der österreichischen Plattform Mutternacht.

Vielen Dank für die freundliche Unterstützung an wienXtra-cinemagic!